Begabungs- und Begabtenförderung ohne Elitebildung

Ein Interview mit Felix Schenker, Schulleiter Schulen Breitenbach

Felix Schenker, Sie haben in den letzten Jahren Erfahrungen mit Begabungsförderung gesammelt. Wie muss ich mir den Schultag eines Kindes vorstellen, das in seinen besonderen Begabungen gefördert wird?

Wir unterscheiden drei Stufen der Förderung:

  • Die Stufe 1 ist die Binnendifferenzierung. Hier werden den Schülerinnen und Schülern anspruchsvollere Zusatzaufgaben gestellt. Ziel ist nicht ein schnelleres Arbeiten, sondern eine Anreicherung des Stoffs.
  • Auf Stufe 2, welche ausserhalb der Klasse stattfindet, wird in den Kernfächern Deutsch und Mathematik in Kleingruppen weiter gearbeitet. Das dauert 1 bis 2 Lektionen pro Woche. Die Kinder auf dieser Stufe bringen ihre erweiterten Erkenntnisse dann zurück in die Klasse.
  • Die Stufe 3, welche bei uns sehr selten ist, sind eigentliche Hochbegabungen, bspw. im Sport, welche durch ein halbtägiges Spezialprogramm meist ausserhalb der Schule unterstützt werden.

Wie kommt ein Kind bei Ihnen zu speziellen Unterstützungen?

Die Sechs in Mathe ist keine Voraussetzung! Es geht uns vielmehr um spezielle Leistungsfähigkeiten. Etwa die Hälfte unserer Kinder wird hier phasenweise unterstützt. Sie besuchen dann für ein Trimester diesen zusätzlichen Unterricht. Wir besprechen das immer zuerst mit den Kindern. Sie dürfen selbst entscheiden, ob sie mitmachen wollen.

Die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler?

Ja, vielleicht momentan noch nicht ganz, aber sicher ein Drittel. Wir wollen keine Eliteförderung betreiben, sondern auf Stärken aufbauen und diese verbreitern. Die Lehrperson soll Kinder ermutigen, sich an diesen Programmen zu beteiligen. Das braucht bei uns keine spezielle Abklärung. Die Lehrperson kann das ausgezeichnet selbst entscheiden.

Welche Voraussetzungen haben Sie als Schulleiter geschaffen, damit Schüler und Schülerinnen mit besonderen Begabungen in den Klassen gefördert werden können?

Natürlich genügend Ressourcen aus dem Pool bereitgestellt. Es braucht aber auch zusätzliche Gruppenräume sowie die Koordination der vielen Angebote. Gerne würden wir auch Musik und Gestalten anbieten, aber das ist uns bisher noch nicht gelungen.

Wie haben Sie in Ihrer Funktion als Förderlehrperson ganz konkret Kinder mit besonderen Begabungen gefördert?

Ich habe die Kinder angesprochen und sie auf die Angebote aufmerksam gemacht. Dann haben wir eine befristete Vereinbarung getroffen und anschliessend das Programm zusammengestellt.

Wie reagieren die anderen Kinder, deren Eltern sowie die Eltern der geförderten Kinder auf diese spezielle Unterstützung?

Bei den Kindern ist das Angebot sehr beliebt. Es sind ja nicht nur einige wenige, sondern viele kommen in den Genuss. Das verhindert Konkurrenz! Zudem werden die «Zugpferdchen» angemessen beschäftigt und müssen so den Unterricht nicht stören, wenn sie unterfordert sind. Eltern haben häufig Freude daran. Einige befürchten aber auch, dass die «Mittleren» zu kurz kommen: die Schwächeren unterstützt man durch die Spezielle Förderung, die Begabten mit der Begabtenförderung und die Mitte vergisst man. An diesem falschen Bild müssen wir noch vermehrt arbeiten. Uns geht es ja um Binnendifferenzierung und nicht um Gleichmachen oder Elitezucht!

Wer hat welchen Nutzen, wenn diese Förderung integrativ in der Klasse stattfindet?

Wir haben beobachtet, dass durch die breite Beteiligung der Schülerinnen und Schüler wenig Neid entsteht. Zudem werden die Kinder in den speziellen Kursen auch dazu angehalten, ihre Erkenntnisse zurück in die Klasse zu bringen. Das motiviert die dort Anwesenden, es auch einmal mit einem Kurs zu versuchen.

Man erzählt immer wieder, dass Begabungsförderung im Kanton noch stiefmütterlich behandelt wird. Wie erklären Sie sich das?

Ich vermute, dass einige vor dem Gedanken einer Elitebildung zurückschrecken. Aber auch die anspruchsvolle Aufgabe, den Eltern diesen Ansatz klar zu machen, hält einige davon ab. Vielleicht denken manche auch, dass bereits für die «Schwachen » zu wenig Ressourcen bereitstehen und man deshalb nicht noch Ressourcen für eine «Elite» abzwacken sollte.

Weshalb haben Sie es in Breitenbach doch geschafft?

Wir hatten den Vorteil, dass wir mit den Umstellungen auf die Spezielle Förderung frühzeitig begonnen haben und nun mehr Zeit hatten, über die Begabtenförderung nachzudenken. Ich vermute, da werden noch einige Schulen nachziehen, wenn diese mal die grosse Arbeit bei der Umsetzung der Speziellen Förderung geschafft haben.

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