Frühfranzösisch & Spezielle Förderung

Zwölf Lehrpersonen der regionalen Stufengruppe „Passepartout“ Äusseres Wasseramt berichten über ihre Erfahrungen mit der Speziellen Förderung in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht auf der Primarstufe und ziehen nun ein erstes Fazit:

Wir sind in der regionalen Stufengruppe „Passepartout“ der Region Äusseres Wasseramt organisiert und unterrichten alle Schüler und Schülerinnen (SuS) der 3. Klassen im Fach Französisch. Wir repräsentieren momentan 20 Klassen mit rund 240 SuS, das sind 60 Lektionen Französisch pro Woche. Die kleinste Lerngruppe besteht aus 5 SuS, die grösste aus 22 SuS.

Gerne nutzen wir das Angebot dieser Internetplattform, um unsere Gedanken zur Speziellen Förderungin Bezug auf die Frühfremdsprache Französisch darzulegen: Mit dem neuen Fach Französisch sind wir alle sehr gut gestartet: Unsere Begeisterung für das neue Lehrmittel hat sich sofort auch auf die SuS übertragen und nach 2 Schulwochen war klar: Französisch, das ist der Hit, c’est chic! Dass es in der 3. Klasse keine Noten gibt, ist ein Aufsteller. In der 4. Klasse muss die Französischleistung bereits benotet werden.

Anlässlich einer Standortbestimmung nach einem Semester zeigte sich ein Thema, das uns Französischlehrer und –lehrerinnen stark beschäftigt:

Wie funktioniert die Spezielle Förderung im Fach Französisch (und später einmal im Englisch)?

Dazu einige Statements:

  • Das Leistungsniveau der SuS wird immer unterschiedlicher. SuS, die in anderen Fächern individuelle Lernziele haben, kommen teilweise auch im Französisch überhaupt nicht mehr mit. Einige stören den Unterricht, weil sie sich nicht anders zu helfen wissen. Die neue Fremdsprachendidaktik sieht vor, dass die SuS mit viel Eigeninitiative, sehr selbständig lernen. Oft wird in Gruppen oder mit einem Partner gearbeitet. SuS, die speziell gefördert werden müssten, haben wenig Antrieb. Da der heutige Französischunterricht den 100%igen Einsatz von uns Lehrern und Lehrerinnen fordert, bleibt keine Zeit, sich während des Unterrichts um diese SuS zu kümmern.
  • Auch im Französisch sind individuelle Lernziele möglich, SuS könnten ihre persönlichen Lernschritte mit eigenen Förderprogrammen erreichen. Ich selber habe noch nie ein heilpädagogisches Förderprogramm entworfen und die Schulische Heilpädagogin spricht kein Französisch. Ich traue mich nicht, sie darauf anzusprechen, obwohl sie zuständig wäre. Sie ist auch ohne Förderung im Französisch zeitlich völlig überlastet.
  • Wenn die Schulischen Heilpädagogen auch noch im Französisch mit den SuS und mit uns arbeiten sollen, fehlt diese Zeit wahrscheinlich einem Kind oder einer SuS-Gruppe der Förderstufe 2, denn es werden ja keine zusätzlichen Ressourcen gesprochen. Das möchte ich nicht verantworten. Ich melde mich deshalb nicht bei der Heilpädagogin.
  • Die Heilpädagogen haben doch nicht die Kapazität, sich auch noch mit uns Französischlehrern und –lehrerinnen (denn wir sind  häufig nur für das Französisch angestellt) abzusprechen.
  • Viele SuS mit Spezieller Förderung brauchen den 1:1-Kontakt viel häufiger als andere SuS. Dies ermöglicht ihnen vor allem der Schulische Heilpädagoge. Dadurch werden sie motiviert und machen mit. Im Französisch ist niemand speziell für sie da. Wie wird das erst, wenn sie im nächsten Schuljahr Noten bekommen? Sind ungenügende Noten ohne Unterstützung auf Dauer nicht demotivierend?
  • Ich unterrichte eine Gruppe von 22 SuS, vier davon haben Spezielle Förderung, § 36 und § 37. Nun kommt bald das 23. Kind dazu, welches kaum Deutsch spricht. Wie soll ich es im Französisch adäquat unterstützen, wenn auch Deutsch ganz neu ist?
  • In unserer ganzen Region arbeitet nur in einer einzigen (von 60) Französischlektion eine Heilpädagogin mit.
  • Die Heilpädagogin schafft Strukturen, das ist für SuS der Förderstufe 2 sehr wertvoll. Ich habe das Glück, dass sich die Heilpädagogin für diese Lektion bei mir Zeit nehmen konnte.
  • Ich möchte nichts falsch machen mit den ehemaligen Kleinklassen-SuS. Wie lange kann ich sie im Französisch wohl noch „mitschleifen“? In der Klein- und Werkklasse war Französisch nie ein obligatorisches Fach. Ich frage mich, weshalb nun mit der Speziellen Förderung derart darauf bestanden wird, dass diese SuS den Französisch- und Englischunterricht auch besuchen müssen. Ich befürchte, dass das ganze System kollabieren wird, weil alle beteiligten Menschen, die Schüler, Schülerinnen und die Lehrer und Lehrerinnen die Ansprüche des Schulversuchs der Speziellen Förderung nicht erfüllen können.
  • Die beiden Reformprojekte „Frühfranzösisch“ und „Schulversuch Spezielle Förderung“ im Sommer 2011 gleichzeitig starten zu lassen, war wohl zu ehrgeizig. Hoffentlich scheitern die beiden nicht.

Fazit

Wir sind hoch motivierte Lehrer und Lehrerinnen, welche die Fremdsprachen engagiert und lustvoll unterrichten. Wir machen aber darauf aufmerksam, dass den verschiedenen Aspekten der Speziellen Förderung in unserem Unterricht im Voraus wohl zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Uns ist es wichtig, dass das Fach Französisch auch für SuS mit Spezieller Förderung ein Erfolg sein kann, und dass unsere Heilpädagogen und Heilpädagoginnen entsprechend darauf vorbereitet sind.

Autoren: SLK15: Tantely Bisang, Cornelia Brunner, Gianmarco Cuddé, Bernadette Flück, Sara Knuchel (SL), Antonia Kofmel, Françoise Kofmel, Alexandra Piffer, Fabienne Schumacher, Bernadette Villiger, Gerhard Villiger, Patricia Walter, Verena Zimmermann

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